Erdöl, Waffen und der Krieg im Jemen: Warum das deutsche Rüstungsexportmoratorium gegen Saudi-Arabien so wichtig ist
Vergangene Woche lief das bisherige deutsche Rüstungsexportmoratorium gegen Saudi-Arabien aus. Die Regierung versicherte zwar eine Verlängerung, in einem offenen Brief riefen 56 Hilfsorganisationen jedoch dazu auf, das lückenhafte Moratorium zusätzlich zu verschärfen und zu erweitern. Die Forderungen: keine europäischen Rüstungsgemeinschaftsprojekte, ein EU weites Waffenexportverbot und vor allem, das endgültige, konsequente Ende der Kriegsunterstützung.
Die grundlegende Idee des Rüstungsexportmoratoriums scheint gut, es geht in Angela Merkels Worten darum: „auf der Seite der Deeskalation“ zu stehen. Im März 2017 wurde ein grundsätzlicher Waffenexportstopp bereits im Koalitionsvertrag fest gehalten, betroffen waren Saudi-Arabien und weitere Länder, die direkt in den Krieg im Jemen involviert sind. Wirklich absolut war dieser Stopp jedoch nicht, Ausnahmen blieben bestehen. Zwischen 2015 und 2018 erhielt die arabische Militärkoalition, die im Jemen die gefallene Regierung gegen die Huthi-Rebellen unterstützt, Rüstungsexporte in Höhe von über fünf Milliarden Euro. Erst die Ermordung eines regierungskritischen, saudischen Journalisten Ende letzten Jahres führte einen vollständigen Stopp herbei, die Absolutheit auch hier fragwürdig, denn die Bilanz lautet: Im ersten Halbjahr 2019 genehmigte die Bundesrepublik weitere Exporte im Wert von einer Milliarde Euro. 1) Epo: Jemen: 56 Organisationen fordern Ende der Rüstungsexporte; Artikel vom 20.09.2019 2) Oxfam: Über 56 deutsche und internationale Organisationen fordern: Keine Rüstungsexporte für gesamte Jemen-Militärkoalition; Artikel vom 19.09.2019 3) Zeit Online: Waffenembargo: Bundesregierung verlängert Rüstungsexportstopp für Saudi-Arabien; Artikel vom 18.09.2019
Die Verwerflichkeit des saudischen Vorgehens im Jemen wird schnell deutlich, wenn man sich die Opferzahlen anschaut. Die Leittragenden dieses Krieges sind Zivilisten, unschuldige Menschen, die durch Streubomben und Luftangriffe auf öffentliche Orte wie Schulen, Krankenhäuser oder Märkte ihr Leben lassen. Hinzu kommen Blockaden der Militärallianz, die das stark exportabhängige Land von der Außenwelt und vor allem dringend benötigter humanitärer Hilfe und Lebensmittellieferungen abschotten. 10.000 Menschen wurden seit Beginn der Militäroffensive 2015 getötet, darunter tausende Zivilisten. Zehn Millionen Jemeniten befinden sich inmitten einer Hungersnot oder stehen kurz davor. Vier von fünf Menschen benötigen dringend Nothilfe. Täglich verhungern und verdursten Kinder. Hinzu kommt eine Cholera-Epidemie, die ohne Hilfe von außen Menschenleben fordert, die mit einfachen medizinischen Mitteln gerettet werden könnten. 4) Deutschlandfunk: Jemen: Der vergessene Krieg; Artikel vom 15.03.2019
Saudi-Arabiens erbitterter Kampf im Jemen hat viel mit Macht und der Vorherrschaft im Gebiet rund um die Landesgrenzen zu tun, wichtigstes Stichwort ist die 27 Kilometer breite Meerenge Bab al-Mandab, ein Erdöltransportweg mit vergleichbarem Stellenwert wie der Suez-Kanal. Ein so hoher Stellenwert offenbar, dass ein ganzer Krieg geführt wird, um sich wirtschaftliche Vorteile zu sichern. Die Verbindung zwischen dem Roten Meer und dem Golf von Aden ermöglicht internationalen Handel und ist dementsprechend nicht nur für die arabischen Staaten interessant, auch die USA, Frankreich, Italien, Japan und China verfügen über Militärbasen. 4,8 Millionen Barrel Erdöl passieren täglich Bab al-Mandab. Niemand fördert und exportiert so viel des beliebten Rohstoffes wie Saudi-Arabien, die größten Mengen gehen nach China, Japan und Indien. Im weltweiten Vergleich jedoch ist Europa der größte Importeur fossiler Brennstoffe. 2017 waren zwar nur 35.6 Millionen der 565.7 Millionen eingekauften Tonnen Rohöl aus Saudi-Arabien, das ist nicht viel Nachfrage, aber dennoch Unterstützung. Ob Deutschland nun mit Waffen, Erdölimporten oder auch nur nicht auszureichender Berichterstattung diesen Krieg mit verantwortet, Saudi Arabien ist mit dem Rückhalt der USA und Großbritannien eine Übermacht, die mordet und vertreibt, auch wenn wir in Europa diese Auswirkungen nicht zu spüren bekommen. Mehr als zwei Millionen Menschen wurden im Jemen bereits aus ihren Heimatstädten und Dörfern vertrieben, viele davon als Binnenflüchtlinge. Mit der „Seite der Deeskalation“ hat das nicht viel zu tun, wo die größte humanitäre Krise unserer Zeit herrscht, muss man auf der Seite der Leidtragenden stehen. 5) isw: Jemenkrieg – die vergessene Katastrophe; Artikel vom 19. 07.2019 6) Zeit Online: Jemen: Mehr als 25.000 Menschen flüchten aus Hudaida; Artikel vom 19.06.2018 7) Reuters: Die maritimen Nadelöhre der globalen Erdölversorgung; Artikel vom 03.08.2018 8) ARD: Saudi-Arabien: Königreich des Erdöls; Artikel vom 16.09.2019
Fußnoten und Quellen:
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