US-amerikanische Nachfrage mitverantwortlich für mexikanischen Drogenkrieg
Mexiko ist seit Jahrzehnten das wichtigste Transitland für Drogen aus Südamerika in die USA. Angesichts der großen Nachfrage hat es sich nun vom Transitstaat zu einem der größten Produzenten von Schlafmohn, der Basispflanze für Heroin, verwandelt. Die Industrie dieses Opioids wuchs in den letzten Jahren so stark, dass sich seine Produktion in Mittel- und Südamerika verdreifachte. Aus diesem Grund ist das Drogengeschäft in Mexiko so stark geworden, dass Felipe Calderón, ehemaliger mexikanischer Präsident, 2006 den sogenannten Drogenkrieg erklärte. In diesem Krieg setzte der mexikanische Staat militärische Kräfte ein, um den Drogenhandel, Kartelle und ihre jeweiligen Mitglieder zu bekämpfen. Allerdings führte diese politische Strategie zur Eskalation der Gewalt im Land. Laut einer Studie über den Global Peace Index (GPI) in Mexiko haben sich die Kriminalitäts- und Gewaltrate seit 2008 verdreifacht. Schießereien, Tötungen, Entführungen und Menschenhandel sind das tägliche Leben von Mexikaner*innen, die in den von Drogen dominierten Gebieten leben. Die Bilanz des Drogenkriegs, zwölf Jahre nach seinem Beginn, sind über 209.000 Tote und mehr als 25.000 Vermisste. Diese Gewaltwelle und die Zahl der Toten und Vermissten ist jedoch nicht einzig allein durch das Vorgehen der Drogenkartelle hervorgerufen worden. In seinen vielen Versuchen, Drogenhändler zu eliminieren, haben der Staat und das Militär das Leben von hunderten unschuldigen Zivilisten gefordert. 1) El Financiero: Amapola, el ‚oro maldito‘ que se expande en México por alta demanda en EU; Artikel vom 08.05.2017 2) RT Noticias: México entre los países más afectados por la violencia en América Latina; Artikel vom 22.12.2014 3) Animal Político: 10 años de guerra: desplazamiento, deuda pendiente; Artikel nicht mehr verfügbar 4) Daniel Rosen: La guerra contra el narcotráfico en México. Una guerra perdida; Artikel vom 06.05.2014
Ein weiterer sozialer Effekt des Drogenkriegs in Mexiko ist die Binnenvertreibung aufgrund der Gewalt in Gebieten, die von der Drogenindustrie dominiert sind. Besonders die Bundesstaaten Chihuahua, Tamaulipas, Oaxaca, Sinaloa, Michoacán, Guerrero, Veracruz und Jalisco sind davon betroffen. Nach Angaben der CMDPH (Mexikanische Kommission zur Verteidigung und Förderung der Menschenrechte) wurden in den letzten Jahren mehr als 310.000 Menschen aufgrund von Gewalt in mindestens zwölf Bundesstaaten Mexikos zwangsvertrieben. 5) RT Noticia: La guerra de la droga en México fuerza a miles de personas a buscar otra vida lejos de la violencia; Artikel vom 21.04.2015 6) CMDPDH: Desplazamiento interno forzado en México; aufgerufen am 22.08.2019 7)Comisión Nacional de los Derechos Humanos México: Desplazamiento interno por violencia en México: Causas, consecuencias y responsabilidades del Estado; Veröffentlicht August 2017
Ein deutliches Beispiel für dieses Phänomen ist Guerrero, die größte Schlafmohnanbauregion des Landes. In Guerrero kämpfen 50 kriminelle Banden um die Kontrolle über das Territoriums. Damit ist es seit mehreren Jahren die Region mit der höchsten Todesrate im Land. Dort endet jeder Versuch, den Drogenhandel zu bekämpfen, mit dem Tod. Im Jahr 2015 wurden beispielsweise zwei Kandidaten für den Bürgermeister von Guerrero mitten im Wahlkampf ermordet. Als Folge dieser extremen Gewalt sind kleine Dörfer wie Tlacotepec und Yextla in Guerrero mittlerweile nicht mehr bewohnt. 8) Vice: Desplazados por la violencia de la droga en México — y ¿preparados para votar?; Artikel vom 07.05.2015 9) El Financiero: Amapola, el ‚oro maldito‘ que se expande en México por alta demanda en EU; Artikel vom 08.05.2017
Mitverantwortlich für das viele Leid, das die Mexikaner in den letzten Jahren erfahren haben, ist die enorme Nachfrage des weltweit größten Drogenkonsumenten, den Vereinigten Staaten. Jedes Jahr machen die mexikanischen Kartelle zwischen 19 und 29 Milliarden Dollar Gewinn im Drogenhandel mit dem großen nördlichen Nachbarn. Ohne den stetig wachsenden Bedarf an den berauschenden Substanzen hätte sich Mexiko niemals zu einem derart wichtigen Transitstaat und Drogenproduzenten entwickelt. 10) CNN: Mexico Drug War Fast Facts; Artikel vom 15.02.2019
In diesem Sinne scheint der Zusammenhang zwischen der Zunahme der Gewalt in Mexiko und dem Rekordkonsum von Heroin in den USA kein Zufall zu sein. Der Heroinkonsum und die Sucht in den Vereinigten Staaten haben sich in den letzten zehn Jahren vervierfacht. Im Jahr 2017 erreichte die Opioidkrise dort mit 72.000 Todesfällen einen neuen Negativrekord. Die Zahl ist so hoch, dass sie die der Todesfälle durch HIV, Autounfälle oder Waffen übersteigt. Laut der DEA (Drug Enforcement Administration) ist mexikanisches Heroin bereits die am häufigsten konsumierte Droge der Amerikaner. Darüber hinaus gelangen schätzungsweise 90 Prozent des in den Vereinigten Staaten konsumierten Kokains über die mexikanische Grenze. 11) Infobae: Epidemia de drogas en EEUU: un récord de 72.000 muertes por sobredosis en 2017; Artikel vom 16.08.2018 12) Factum: Drogenflut in den USA; Artikel vom Januar 2018 13) planet wissen: Drogenkrieg in Mexiko; nicht mehr verfügbar
Neben der enormen Nachfrage nach Drogen macht der Waffenhandel aus den USA dieses Drogengeschäft erst möglich. In den Jahren des Drogenkrieges verzeichnete Mexiko einen enormen Anstieg an Waffenimporten ins Land. Der Verkauf erfolgt hauptsächlich aus den Vereinigten Staaten, in geringerem Maße aber auch aus Spanien, Frankreich und Deutschland. Es wird geschätzt, dass jedes Jahr 213.000 Waffen aus den Vereinigten Staaten illegal nach Mexiko gelangen. 14) amerika21: Widersprüchliche Entwicklungen im Waffenhandel in Lateinamerika; Artikel vom 10.03.2016 15) The New York Times: Cada año, 213.000 armas llegan ilegalmente a México desde Estados Unidos, según un informe; Artikel vom 05.02.2018
Mehr als zwölf Jahre nach Beginn des Drogenkriegs erklärte der derzeitige Präsident Mexikos, Andrés Manuel López Obrador, ihn im Januar dieses Jahres für beendet, und das nicht unbedingt, weil die Probleme mit dem Drogenhandel gelöst wären. Lopez Obrador betrachtet den Krieg gegen Drogen wie viele Mexikaner*innen als ein eklatantes Scheitern, denn das einzige, was er verursacht hat, ist eine Zunahme der Gewalt. 16) The New York Times: México cumple una década de duelo por el fracaso de la Guerra contra el Narco; Artikel vom 07.09.2016
Um das Problem des Drogenhandels und die Entstehung von Drogenkartellen in Mexiko zu verstehen, muss man sich auf einen ihrer Verursacher beziehen: den Drogenkonsum in den USA. So kann dieses Problem nur in einem ganzheitlichen Ansatz angegangen werden, einem, der sowohl die Angebotsseite wie auch die Nachfrageseite gleichermaßen betrachtet. Die Nachfrage nach Drogen in den Vereinigten Staaten muss als soziales Problem verstanden und mit Präventionsmaßnahmen und Aufklärungsprogrammen angegangen werden. Und auch dem illegalen Waffenhandel über die mexikanische Grenze muss entgegengewirkt werden. Doch hier zeigt sich die Uneinsichtigkeit des großen Nachbarn, denn dessen Antwort auf das Drogenproblem Mexikos lautet meist: mehr und höhere Mauern. Solange die USA sich nicht eingestehen, dass sie einer der Mitverursacher der Drogengewalt in Mexiko sind und entsprechende Maßnahmen ergreifen, solange werden auch hilfesuchende Menschen an ihre südliche Haustüre klopfen.
Fußnoten und Quellen:
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