Fairtrade trägt dazu bei, Fluchtgründe zu bekämpfen
Es ist Montag Morgen und die Woche beginnt von neuem. Geschäftig bewegen sich Millionen Menschen weltweit zu ihrer Arbeitsstätte. Besonders in den Industriestaaten zählt für viele ein Kaffee dabei zum absoluten Standard. Ob am Morgen zum Frühstück, zum Mitnehmen auf dem Weg in die Arbeit, oder in der Mittagspause mit den Kollegen. In unserer Gesellschaft ist Kaffeetrinken zum lifestyle geworden. Ein Kaffee bei der Arbeit oder während dem Studieren steht für Produktivität und Effizienz. Aber der Kaffeemarkt befindet sich in einer tiefen Krise. Die Preise fallen seit geraumer Zeit und haben für einige Sorten die tiefsten Stände seit über 10 Jahren erreicht. 1) Boerse: Kaffee historische Kurse; Stand 22.07.2019 2) Deutsche Welle: Die Kaffee-Krise; Artikel vom 26.09.2002 3) ZDF: Teurer Kaffee, Bettelarme Bauern; nicht mehr verfügbar
Emotional waren die Worte von Juan Orlando Hernández, dem Präsidenten vom kleinen mittelamerikanischen Land Honduras. Ende 2018 sprach er vor den Vereinten Nationen. „Eine Tasse Kaffee in New York kostet durchschnittlich fünf US-Dollar, fünfhundert Cent. Wissen Sie, wie viel unsere Kleinbauern davon erhalten, nachdem sie bei Sonne und bei Regen hart gearbeitet haben? Nachdem sie jede einzelne Kaffeebohne per Hand geerntet haben? Ich sage es Ihnen: Sie bekommen nicht einmal zwei Cent.“ Aufgrund der niedrigen Kaffeepreise sind allein in Honduras, einem Land mit gerade einmal 9 Millionen Einwohnern, 90.000 Menschen von extremer Armut bedroht. Auch Brasilien und Kolumbien, die zwei größten Kaffeeexporteure der Welt, appellierten an die Welt. In einer gemeinsamen Stellungnahme machten sie auf die extrem niedrigen Preise für die Kaffeebohne aufmerksam. Schon jetzt können über die Hälfte der Bauern ihre Produktionskosten nicht mehr decken. Die Existenzgrundlage von 25 Millionen Kleinbauern weltweit ist akut bedroht. Während 2017 Tchibo seinen Gewinn im Vergleich zum Vorjahr von 34 auf 199 Millionen US-Dollar beinahe versechsfacht hat und Starbucks seinen Gewinn allein im ersten Quartal 2018 um 14 Prozent auf 660 Millionen US-Dollar steigern konnte, stürzten beispielsweise die Preise für die Kaffeesorte „Arabica kolumbianisch mild“ um 25 Prozent ab. Nur 10 Prozent des weltweit mit Kaffee umgesetzten Geldes verbleibt in den Anbauländern. 4) United Nations: Honduras – President Adresses General Debate; Video vom 26.09.2018 5) ZDF: Kritik an Kaffeepreisen; Video nicht mehr verfügbar 6) ZDF: Teurer Kaffee, Bettelarme Bauern; nicht mehr verfügbar 7) Conselho Nacional do Café: Joint Statement Colombia-Brazil; Bericht vom 27.08.2018 8) Forum Fairer Handel: Aktuelle Entwicklungen im Fairen Handel; Stand 2021 9) Blickpunkt Lateinamerika: Kokain statt Kaffee?; Artikel vom 23.10.2018
Der Preiseinbruch hat viele verschiedene Gründe. Rekordernten in verschiedenen Ländern, ungünstige Wechselkurse regionaler Währungen zum US-Dollar und Lebensmittelspekulationen an der Börse. Zusätzlich begegnen den 25 Millionen Kleinbauern, die insgesamt 70 Prozent des weltweit gehandelten Kaffees anbauen, die Herausforderungen der Klimakatastrophe. Im letzten Jahr fuhren Länder zwar Rekordernten ein, die aufgrund des erhöhten Angebots dann den Preis fallen ließen, auf lange Sicht jedoch sind die Folgen der Erderwärmung genau umgekehrt. Schon jetzt kann man in Südamerika Ernteausfälle aufgrund zu starker Regenfälle und Überschwemmungen beobachten, auch Pflanzenkrankheiten werden immer öfter auftreten. In Äthiopien hingegen kämpfen die Bauern gegen Dürren und extreme Hitze. Ernteausfälle haben in dem ostafrikanischen Land fatale Folgen – Kaffee ist hier das wichtigste Exportgut. Laut des Climate Institute wird sich die Anbaufläche von Kaffee bis 2050 um 50 Prozent verringern. 10) Blickpunkt Lateinamerika: Die Große Kaffeekrise; Artikel vom 12.02.2019 11) Süddeutsche Zeitung: Flucht in die Berge; Artikel vom 24.08.2017 12) Forum Fairer Handel: Aktuelle Entwicklungen im Fairen Handel; Stand 2021 13) Fairtrade Deutschland: Niedrige Kaffeepreise bedrohen Existenz von Kaffeebauern; Artikel vom 27.09.2018
Die Probleme, die den Kleinbauern begegnen und noch begegnen werden, sind der ideale Nährboden für Gewalt, Kriminalität und natürlich Armut. Was folgt sind Migrationsströme. Die Kaffeeproduktion lässt sich für viele Bauern nur noch profitabel gestalten, wenn diese den Umweltschutz zurückschrauben und vermehrt hoch toxische Pflanzengifte und großflächigen Einsatz von Düngemitteln verwenden – die Folge sind gesellschaftliche und ökologische Schäden, wie etwa verunreinigtes Wasser und Gesundheitsprobleme in der Bevölkerung. Viele Kaffeebauern geben ihr Geschäft direkt ganz auf und wechseln ihre Anbaupflanze. Vor allem in Südamerika ist hierbei der Koka-Strauch besonders attraktiv – die Produktion von Kokain wird gesteigert. 14) Forum Fairer Handel: Zahlen und Fakten zum Fairen Handel in Deutschland; Stand 23.07.2019 15) ZDF: Teurer Kaffee, Bettelarme Bauern; nicht mehr verfügbar 16) Blickpunkt Lateinamerika: Kokain statt Kaffee?; Artikel vom 23.10.2018 17) Conselho Nacional do Café: Joint Statement Colombia-Brazil; Bericht vom 27.08.2018
Während bei uns die Nachfrage nach Kaffee immer weiter steigt und die großen Kaffeeunternehmen immer höhere Milliardengewinne einfahren, sind lokale Kaffeeproduzenten mit extrem niedrigen Weltmarktpreisen und dem Klimawandel konfrontiert. Es droht eine soziale Katastrophe. Eine Lösung gegen diese Situation ist fairer Handel. Letztes Jahr wurden in Deutschland 1,7 Milliarden Euro mit fairem Handel umgesetzt – das ist doppelt so viel wie noch vor 5 Jahren. Trotzdem sind immer noch nicht einmal 5 Prozent des in Deutschland gehandelten Kaffees fair, in anderen Worten: nur jede zwanzigste Tasse Kaffee wird gerecht entlohnt. Das Prinzip bei Fair Trade ist es, eine überlebensnotwendige Absicherung für schwankende Weltmarktpreise zu gewährleisten. Planungssicherheit für die einzelnen Kleinbauern wird dadurch gegeben, dass nicht der Weltmarkt über die Verdienste des nächsten Jahres entscheidet, sondern festgesetzte Mindestpreise und partnerschaftliche Abkommen. Zusätzlich wird beispielsweise umweltfreundlicher Bio-Anbau gefördert. Ausbeuterische Kinderarbeit, die vor allem in der Landwirtschaft noch oft vorkommt, wird aktiv identifiziert, beseitigt und durch soziale Programme für die Zukunft überflüssig gemacht. Jährlich werden weltweit in der Kaffeeindustrie 200 Milliarden US-Dollar umgesetzt, aber nur 0,18 Prozent davon fließen in die Nachhaltigkeit des Anbaus. Vergleichbar wie beim Kaffee (wenn auch nicht ganz so gravierend) schaut es beim Kakao, Zucker, Orangen und vielen weiteren Produkten aus. Der Bananenpreis beispielsweise ist in den letzten 3 Jahren um 20 Prozent gefallen, die Produktionskosten jedoch sind weiter gestiegen. Die Anteile am Bananengeschäft verschieben sich somit immer weiter in den Globalen Norden. Jeder einzelne Bürger kann allerdings mit der bewussten Entscheidung, Fair Trade Produkte für ein paar Cent mehr zu kaufen, zu einem gerechteren Anbau von Lebensmitteln und anderen Produkten sowie zu menschenwürdiger Bezahlung beitragen. Die Produktionsländer werden gestärkt und familiäre Betriebe erhalten eine Stimme in der globalen Wirtschaft. Existenzsichernde Löhne bekämpfen Armut und tragen so zur Zerstörung von Fluchtgründen bei. Dieter Overath, Geschäftsführender Vorstandsvorsitzender von TransFair, einer Organisation, die sich für gerechten Handel einsetzt, mahnt: „Wenn wir auch zukünftig täglich Kaffee genießen möchten, müssen die Bedingungen für die Kaffeebäuerinnen und -bauern dringend verbessert werden.“ 18) Fairtrade Deutschland: Niedrige Kaffeepreise bedrohen Existenz von Kaffeebauern; Artikel vom 27.09.2018 19) Forum Fairer Handel: Zahlen und Fakten zum Fairen Handel in Deutschland; Stand 23.07.2019 20) Fairtrade Deutschland: Kinderarbeit in Lieferketten verbieten; Artikel vom 11.06.2019 21) Fairtrade Deutschland: Fairtrade-Standards; Stand 23.07.2019 22) Fairtrade Deutschland: Produkte; Stand 23.07.2019 23) Forum Fairer Handel: Aktuelle Entwicklungen im Fairen Handel; Stand 2021 24) Forum Fairer Handel: Kaffee in der Krise; nicht mehr verfügbar
Fußnoten und Quellen:
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