Avocado: Die Schattenseiten hinter dem Superfood
Unglaublich gesund, Instagram-tauglich und ein Superfood: Die Avocado hat im Rekordtempo Supermarktregale für sich freiräumen, Speisekarten mit sich besetzen und mit vielen Millionen Hashtags ihre Beliebtheit verzeichnen lassen. Das neue Modeessen ist bei veganen oder ernährungsbewussten Bürgern unserer Überflussgesellschaft nicht mehr wegzudenken. Der Boom wird jedes Jahr größer, in den letzten zehn Jahren hat sich die Importmenge mehr als verdreifacht. Doch diese enorme Nachfrage hat auch Schattenseiten. Für viele Menschen und die Natur in den Anbaugebieten ist die Massenproduktion des Superfoods alles andere als super. 1) GEO: Boykott-Aufruf – Sterne-Koch nennt Avocados „die Blutdiamanten Mexikos“; zuletzt aufgerufen am 24.07.2019
Die meisten Avocados, die in deutschen Supermärkten landen, kommen aus Peru und Chile. Darauf folgen die Exportländer Südafrika, Israel und Spanien. Gemeinsam ist allen, dass die Anbauregionen heiß und trocken sind und Wasser knapp ist. Dabei verbraucht ein Kilo Avocados etwa 1000 Liter Wasser, das entspricht fast drei Badewannen für nur eine einzige Avocado! Vergleichsweise benötigt ein Kilo Tomaten durchschnittlich 180 Liter. In Perus Avocado-Hauptanbauregion wird 76 Prozent mehr Wasser verbraucht, als die lokalen Ressourcen hergeben – ausgeholfen wird durch ein gigantisches Kanalsystem, das Wasser aus den Anden abzweigt. Dadurch wird die Andenregion komplett aus ihrem natürlichen Gleichgewicht geworfen: Der Kanal verhindert natürliche Versickerungsprozesse, Hochmoore und Weiden vertrocknen, den Alpakas geht das Futter aus. Wenn es zu viel regnet, werden die Schleusen der Stauseen geöffnet und das Wasser überflutet die Felder der Kleinbauern. Es bilden sich Bakterien und Gase, die Alpakas sterben an Durchfall und Infektionen. Die massiven Kanäle rissen schon einige Menschen und Tiere ins Verderben. Das Land auf der anderen Seite ist mangels Brücken unzugänglich. Wenn die traditionsreiche Viehwirtschaft nicht mehr möglich ist, gibt es für die Kleinbauern kaum eine andere Alternative, als ihr Land zu verlassen. 2) DW: Avocado – Mexiko hat den Guacamole-Blues; Artikel vom 19.07.2019 3) Zeit Online: Superfood – Das Märchen von der guten Avocado; Artikel vom 13.10.2016 4) Frankfurter Rundschau: Peru – Der Preis des Avocado-Booms; Artikel vom 06.01.2017
Ähnlich verhält es sich in Südafrika, wo nur Großgrundbesitzer finanziell in der Lage sind, die durstigen Avocadobäume auch in Dürreperioden zu bewässern. Kleinbauern können die durch den Klimawandel verstärkten Wetterextreme nicht so einfach wegstecken. So konzentriert sich die Landwirtschaft immer mehr auf wenige große Farmen – meist von weißen Afrikaans – während die kleinen Betriebe – überwiegend von Schwarzen – aufgeben müssen. Auch in Chile ist der Avocadoanbau nur für wenige Großunternehmer lukrativ. Die meisten Avocados werden in einer staubtrockenen Region angebaut, wo die großen Plantagenbetreiber immer tiefere Brunnen bauen, um an das Grundwasser zu kommen. Für die Kleinbauern ist das finanziell kaum zu schaffen. Daneben leidet dort auch die Bevölkerung am hohen Wasserverbrauch der Agrarindustrie. Die umliegenden Dörfer müssen mittlerweile von Tankwagen mit Trinkwasser versorgt werden. Verstärkt wird die Problematik in Chile durch die hundertprozentige Privatisierung von Wasser. Näher da, aber immer noch ein Wasserwahnsinn ist der Avocadoanbau in Israel und Spanien. Im trockenen Israel sind Avocados sogar für die Hälfte des Wasserverbrauchs verantwortlich. 5) Zeit Online: Superfood – Das Märchen von der guten Avocado; Artikel vom 13.10.2016 6) DW: Superfood – Die Schattenseiten des Avocado-Booms; Artikel vom 24.06.2018
Mexiko ist mit Abstand der weltweit größte Avocadoproduzent und beliefert zu 80 Prozent die USA. Die Nachfrage stieg in den letzten Jahren extrem, jedoch fielen einige Ernten schlecht aus. Zusätzlich führte US-Präsident Trumps kürzliche Androhung, die Grenzen zu schließen, zu einer Preisexplosion. Im traditionellen Avocadoland Mexiko kam es daraufhin sogar so weit, dass immer öfter Ersatz-Guacamole aus Zucchini angeboten wird. Die Umsatzzahlen mit dem „grünen Gold“ sind enorm, sodass es kaum verwunderlich ist, dass auch die mexikanischen Drogenkartelle ihre Finger im Spiel haben und die Avocadobauern erpressen. Das organisierte Verbrechen schreckt vor nichts zurück, sodass der Sternekoch JP McMahon Avocados als „Blutdiamanten Mexikos“ bezeichnet und zum Boykott aufruft. Die Pestizide und Düngemittel auf den riesigen Monokulturen versalzen zudem die Böden und verschmutzen das Trinkwasser, eine starke Gesundheitsbelastung für die Anwohner. Obendrein werden jährlich bis zu 4000 Hektar Wald für neue Plantagen gerodet, sehr zum Leid von Biodiversität und Klima. 7) Frankfurter Allgemeine: Teure Avocados- Mexiko steckt in einer Guacamole-Krise; Artikel vom 17.07.2019 8) DW: Avocado – Mexiko hat den Guacamole-Blues; Artikel vom 19.07.2019 9) TAZ: Avocado-Anbau in Mexiko – Grün, beliebt, zerstörerisch; Artikel vom 27.09.2016 10) GEO: Boykott-Aufruf – Sterne-Koch nennt Avocados „die Blutdiamanten Mexikos“; zuletzt aufgerufen am 24.07.2019 11) La Vanguardia: Estos son los graves daños escondidos detrás del cultivo del aguacate; Artikel vom 08.02.2017
Klimaproblematisch ist im großen Stil auch der Transport aus den entfernten Anbauregionen. Flüge sind sowieso der Klimakiller schlechthin. Aber auch der Schiffstransport heizt die Erde auf: allein aus Südafrika beträgt er 26 Tage. Die gesamte Reisedauer verbringt die Avocado in einem strombetriebenen Container mit konstanten 6 Grad Wohlfühltemperatur, perfekter Luftfeuchtigkeit und CO₂-Konzentration. Das gut gepolsterte Verpackungsmaterial tut sein Übriges zur Ökobilanz. Der gängige Transport von Lebensmitteln aus allen Ecken der Welt ist purer Wahnsinn für das Klima. Während der Dürre 2016 in Südafrika musste das Grundnahrungsmittel Mais importiert werden – dagegen verließ das grüne Luxusgut weiterhin das Land Richtung Europa. Die gleiche Richtung, die sich auch viele Menschen überlegen, denen die Klimakrise jegliche lokale Perspektive nimmt. Dabei könnten wir ohne Aufwand einen kleinen Beitrag zur Besserung der Situation leisten, indem wir wieder mehr heimisches Obst und Gemüse essen und exotische Produkte seltenes Luxusgut bleiben. So sind auch regionale Äpfel, Mangold oder Rote Bete Superfoods mit vielen gesunden Inhaltsstoffen – nur wurden sie nicht mit einer millionenschweren Marketingstrategie als solche propagiert. Die „Superfood-Inszenierungs-Unternehmen“ kümmern sich schließlich nicht um Mensch-, Umwelt- und Klimaschäden. Daher hilft nur eins: die Nachfrage. 12) Zeit Online: Superfood – Das Märchen von der guten Avocado; Artikel vom 13.10.2016 13) Einfach ganz leben: Heimisches Obst und Gemüse – besser als jedes Superfood; nicht mehr verfügbar 14) SZ: Alles im grünen Bereich; Artikel vom 08.05.2015
Fußnoten und Quellen:
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