Warum immer mehr Saudi-Araberinnen fliehen und wie Deutschland Fluchtursachen untermauert
Kontrolle, Bevormundung, Unterdrückung – Saudi-Arabien setzt besonders seine Bürgerinnen menschenunwürdigen Bedingungen aus. Bedingungen, die Deutschland zu akzeptieren scheint. Anders kann der florierende gegenwärtige Rüstungsexport der Bundesregierung ins saudische Königreich wohl kaum gedeutet werden.
Die Zahlen aus Saudi-Arabien fliehender Frauen häufen sich. Sie wollen sich nicht mehr der Unterdrückung ausgesetzt sehen, welche durch das männliche Vormundschaftssystem im saudischen Königreich legitimiert wird. Dieses sieht vor, dass Männer – Väter, Brüder und Ehemänner – ihre Töchter, Schwestern und Ehefrauen bevormunden. Dies wird nicht selten in Form von Gewalt durchgesetzt. Kleidung, Umgang, Beruf oder Reisen sind nicht Angelegenheit der jeweiligen Frau, sondern die ihres männlichen Vormundes. Diese Angelegenheiten können mithilfe einer App von saudischen Männern verwaltet werden. 1) bento: Saudi Arabiens Männer überwachen ihre Frauen mit einer App – die nutzen sie nun, um zu fliehen; Artikel vom 13.2.2019
Eine App, deren eigentliche Funktion die Verwaltung und Überwachung von Daten zur eigenen Person, aber auch von Familienmitgliedern und MitbewohnerInnen ist, wird unter anderem von Männern genutzt, um Frauen zu kontrollieren. Indem zum Beispiel Genehmigungen für eine Ausreise über diese App verwaltet werden können oder das Einchecken am Flughafen und Grenzübertritte per SMS gemeldet werden, wird die Überwachung und Kontrolle der saudischen Frauen gewährleistet und vereinfacht. Eben diese App wird jedoch von immer mehr saudischen Frauen genutzt um eben diese Mechanismen zu umgehen und ihre Flucht aus dem Königreich zu organisieren. Indem sie sich Zugang zum Handy ihres männlichen Vormundes verschaffen und sich online als dieser ausgeben, können sie ihre Ausreise genehmigen und verwalten. Apple und Google bieten die sogenannte „Absher“-App nach wie vor an und unterstützen dadurch eine Frauen unterdrückende Plattform. 2) Netzpolitik: App Absher: Männer überwachen Frauen nicht nur in Saudi Arabien; Artikel vom 15.2.2019 3) bento: Saudi Arabiens Männer überwachen ihre Frauen mit einer App – die nutzen sie nun, um zu fliehen; Artikel vom 13.2.2019
Neben Großbritannien und Frankreich unterhält auch Deutschland enge Beziehungen zu Saudi-Arabien. Der 1929 geschlossene Freundschaftsvertrag zwischen dem Deutschen Reich und dem Königreich Hedschas zog vor allem wirtschaftliche Beziehungen nach sich. Rüstungsgeschäfte bilden die Basis für die ausgeprägte deutsch-saudi-arabische Beziehung. Rüstungsexporte im Wert von 264 Millionen Euro wurden bis November 2017 von Deutschland nach Saudi-Arabien geliefert. Nach der Bundestagswahl 2017 wurde sich darauf geeinigt, keine Ausfuhren an Länder zu erlauben, welche am Krieg im Jemen beteiligt sind. Da Saudi-Arabien in diese Kategorie fällt, wollte die Bundesregierung laut Koalitionsvertrag keine Rüstungsexporte mehr ins saudische Königreich genehmigen. Dass sich dies in der Praxis jedoch anders gestaltet, liegt an Ausnahmeregelungen. Die Abweichung vom Koalitionsvertrag begründet die Bundesregierung mit „Einzelfallentscheidungen“. 4) Wikipedia: Deutsch-saudi-arabische Beziehungen; Stand April 2019 5) Auswärtiges Amt: Saudi Arabien: Beziehungen zu Deutschland; Beitrag vom 8.1.2019 6) ZDF heute: Von Saudi Arabien nach Köln; nicht mehr verfügbar
Seit 2015 führt Saudi-Arabien eine Militärintervention im Jemen. Das Königreich unterstützt jemenitische Regierungstruppen in deren Kampf gegen die schiitischen Huthi-Rebellen. Jemen gilt als ärmstes Land der arabischen Welt. Der Krieg bringt gewaltige Hungernöte mit sich. Von der UNO werden die Konsequenzen entsprechenden Krieges als „größte humanitäre Katastrophe des 21. Jahrhunderts“ eingeschätzt. 7) Tagesschau: Exporte nach Saudi Arabien – Warum Deutschland weiter Waffen liefert; Artikel nicht mehr verfügbar 8) Wikipedia: Militärintervention im Jemen seit 2015; Stand April 2019
Mit der Aufrechterhaltung der Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien scheint die Bundesregierung die Bedingungen, unter welchen saudische BürgerInnen leben, zu akzeptieren oder zumindest hinzunehmen. Ein Exportstop von Seiten Deutschlands könnte ein Exempel statuieren. Eines, das eine klar verurteilende Haltung der Bundesregierung in Bezug auf die vielen Menschenrechtsverletzungen proklamiert. Ein solches Zeichen scheint jedoch bis auf weiteres auszustehen. Nach wie vor besetzt Saudi-Arabien nach Algerien den zweiten Platz als Kunde der deutschen Rüstungsindustrie. Indem Geschäfte eingegangen und politischen Hintergründe dabei ignoriert werden, bürdet sich die Bundesregierung eine gewisse Mitverantwortung auf. Rüstungsexporte können vom saudischen Königreich als Einverständnis und Legitimation von Seiten Deutschlands bezüglich ihrer Politik gedeutet werden. Anstatt die menschenrechtswidrige Situation vieler BürgerInnen also zu entschärfen, wird diese untermauert, bestärkt und legitimiert – was sich wiederum in den ansteigenden Zahlen flüchtender Frauen aus Saudi-Arabien widerspiegelt.
Fußnoten und Quellen:
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