Eine vergessene humanitäre Krise: Burundi
28 burundische Künstler sind vergangenen Monat bei einem Schweizer Kulturfestival nach und nach verschwunden. Sie sind mit einem Touristenvisum eingereist und anschließend untergetaucht. Die Situation im ostafrikanischen Land hat sich in den letzten Jahren nicht verbessert, ist allerdings zunehmend in Vergessenheit geraten. Insgesamt sind momentan circa 400.000 Menschen aus Burundi geflohen, die meisten davon in die vier Nachbarländer: 227.000 der Flüchtlinge befinden sich in Tansania, der Rest hauptsächlich in Ruanda, Uganda und der Demokratischen Republik Kongo. Teilweise treibt es sie auch bis nach Europa. Seit 2015 ist die Zahl der Menschen, die ihre Heimat Burundi verlassen, konstant steigend. 1) UNHCR: Burundi situation; Aufgerufen am 17.09.2018 2) euronews: 28 Musiker aus Burundi – plötzlich weg…; Artikel vom 24.08.18
Burundi wird seit Anfang 2015 von Gewalt geplagt; seit Präsident Nkurunziza angekündigt hat, eine dritte Amtszeit anzustreben, die allerdings eine Verfassungsverletzung darstellt. Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und Rebellen führten zu hunderten Toten und zwangen fast eine halbe Million Menschen zur Flucht. Im Mai dieses Jahres änderte Nkurunziza per Referendum die Verfassung nun dahingehend, dass er bis 2034 Präsident bleiben könnte. In den Monaten vor diesem Verfassungsreferendum allerdings dokumentierte Human Rights Watch, dass Burundis Sicherheitsdienste und Mitglieder der Jugendorganisation der Regierungspartei (Imbonerakure) mutmaßliche Gegner getötet, vergewaltigt, entführt und eingeschüchtert haben. Die Menschenrechtsorganisation bekräftigt weiterhin, dass Verbrechen gegen die Menschlichkeit immer noch im Land stattfinden. Nach Uganda Geflüchtete schildern anhaltende Drohungen, Einschüchterungen und Schläge gegen diejenigen, die gegen die Verfassungsänderung stimmten oder die zumindest dessen verdächtigt werden. 3) Human Rights Watch: UN Human Rights Body: Renew Mandate of Burundi Investigation; Artikel vom 17.09.2018 4) Reuters: U.N. inquiry says Burundi still committing crimes against humanity; Artikel vom 05.09.2018
Seit Beginn der Krise im Jahr 2015 ist die Rolle der Imbonerakure gewachsen, die zunehmend als Strafverfolgungsbehörde agiert und für gravierende Menschenrechtsverletzungen verantwortlich ist. So errichtet sie beispielsweise illegale Straßenblockaden, in denen sie Menschen, von denen sie vermuten, dass sie Verbindungen zur Opposition haben, verprügeln, inhaftieren und verhaften. Sie werden aktiv von der Regierungspartei dazu ermutigt, laut jüngsten Untersuchungen von Human Rights Watch mehr denn je. Fliehende berichten, die Imbonerakure sei mächtiger als die Polizei. 5) Human Rights Watch: UN Human Rights Body: Renew Mandate of Burundi Investigation; Artikel vom 17.09.2018
Im vergangenen Jahr verließ Burundi bereits als erstes Land überhaupt den Internationalen Strafgerichtshof. Am Freitag nun drohte der Staat, auch den Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen wegen vermeintlicher „Politisierung“ zu verlassen. Vorangegangen war dem ein Bericht der UN Untersuchungskommission zu Burundi vom Mittwoch, der sagt, dass in den Jahren 2017 und 2018 mehr Verbrechen gegen die Menschlichkeit verübt wurden als zuvor. Diese wurden durch die Rhetorik von hochrangigen Beamten und Hassreden vom Präsidenten selbst angestachelt – die höchste Ebene des Landes ist also direkt dafür verantwortlich. Sowohl der Geheimdienst als auch die Polizei, die Armee und die Imbonerakure begangen zahlreiche Verstöße, darunter Mord, Folter und Vergewaltigung. Die Untersuchungskommission wurde 2016 vom Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen eingesetzt – seither versucht die Regierung diese zu stoppen und weigert sich zu kooperieren. Jüngst hat das Regime UN-Experten, vor allem den drei Mitarbeitern der Untersuchungskommission, ein Aufenthaltsverbot ausgesprochen. Die Kommission ist nach dem Austritt aus dem Internationalen Strafgerichtshof das einzige unabhängige internationale Gremium, das Menschenrechtsverletzungen in Burundi dokumentiert. Ihr Vorsitzender Doudou Diène sagte kürzlich, dass eine erhöhte Kontrolle nun von entscheidender Bedeutung sei, da die Vergehen im Zuge der Wahlen von 2020 wahrscheinlich sogar noch mehr zunehmen würden. 6) Junge Welt: UN-Experten in Burundi unerwünscht; Artikel vom 13.09.2018 7) news24: Burundi threatens to quit UN human rights body; Artikel vom 15.09.2018 8) Reuters: U.N. inquiry says Burundi still committing crimes against humanity; Artikel vom 05.09.2018
Zusätzlich zur schwierigen politischen Situation und anhaltenden Vertreibungen des Landes sehen sich die Menschen in Burundi mit einer humanitären Krise konfrontiert, die durch wirtschaftlichen Niedergang, extreme Ernährungsunsicherheit und Ausbrüche von Krankheiten gekennzeichnet ist. Da das benötigte Budget für Burundi 2017 nur zu 21 Prozent und 2018 nur noch zu 12 Prozent finanziert wurde, kommen burundische Flüchtlinge in den Nachbarländern in überfüllten Lagern an. Dort kann ihnen teilweise nur eine temporäre Unterkunft geboten werden, Gesundheitszentren sind überlastet und die Bildungssituation ist fatal. Den Kindern fehlt es an ausreichenden Lernmaterialien und sie besuchen viel zu große Klassen unter Bäumen. 9) UNHCR: Burundi situation; Aufgerufen am 17.09.2018
Catherine Wiesner, regionale Flüchtlingskoordinatorin und für das UNHCR zuständig für einen umfassenden Rahmenplan für Flüchtlingshilfsmaßnahmen in Burundi, fasst treffend zusammen: “Burundi’s refugees are being forgotten. The world needs to urgently help these refugees and the countries hosting them.” 10) UNHCR: Burundi situation; Aufgerufen am 17.09.2018 Denn wenn sich die Situation in Burundi verschlimmert und auch in den Flüchtlingscamps der Nachbarländer nicht verbessert, werden die Menschen gezwungen sein, ihre Heimat noch weiter zu verlassen.
Fußnoten und Quellen:
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