Wie die Wasserprivatisierung die Zivilbevölkerung der Dritten Welt bedrängt – eine Reise durch Brasilien, Bolivien, Äthiopien und Südafrika
Um uns die weltweite Verteilung der Wasserressourcen vor Augen zu führen, betrachten wir zur Einordnung ein paar Zahlen: Die größten Süßwasser-Ressourcen liegen mit 45 Prozent in Nord- und Südamerika. Danach folgen Asien mit 28 Prozent und Europa mit 15,5 Prozent. Afrika ist mit 9 Prozent diesbezüglich der verletzlichste Kontinent. Den größten Anteil am jährlich erneuerbaren Süßwasser hat Brasilien. 8.200 Kubikkilometer machen 1/8 des weltweiten Wertes von geschätzten 45.000 Kubikkilometern aus. Auf den Plätzen folgen Russland mit 4.500 Kubikkilometern und Kanada, Indonesien, China, Kolumbien, die USA, Peru und Indien – alle zwischen 2.000 und 3.000 Kubikkilometern.
Blicken wir nach Brasilien: Dort hat in den 90er Jahren die Entdeckung des Guarani Aquifer, des größten zusammenhängenden, unterirdischen Reservoirs an erneuerbarem Süßwasser in Nord- und Südamerika, vielleicht sogar weltweit, für Aufsehen gesorgt. 1,2 Millionen Quadratkilometer – das entspricht einer Fläche so groß wie Texas und Kalifornien zusammen – liegen in den Böden von Brasilien (71 Prozent), Argentinien (19 Prozent), Paraguay (6 Prozent) und Uruguay (4 Prozent). Benannt wurde es nach der indigenen Bevölkerung dieses Ortes und umfasst ein Volumen von ca. 46.000 Kubikkilometern an Süßwasser-Ressourcen. Damit könnte das Guarani die Weltbevölkerung für die nächsten 200 Jahre mit 100 Litern per Kopf pro Tag versorgen. Derzeit liegt die Extraktionsrate bei etwas über 1 Kubikkilometer pro Jahr. Damit besteht kein Risiko der Überextraktion, denn die potentielle jährliche Wiederaufladungsrate liegt zwischen 45 Kubikkilometern und 55 Kubikkilometern.
Am Weltwirtschaftsforum (WEF, engl. „World Economic Forum“) 2018 nahm auch der brasilianische Präsident Michel Temer teil. Sein einziges Ziel war es, sein Land und insbesondere die Wasserressourcen zu privatisieren. Manche Beobachter sagen, dass Washington bei der Absetzung seiner ehrlichen Vorgängerin Dilma Rousseff die Hände im Spiel hatte.
„Schrecklich! Coke und Nestlé wollen das Guarani Aquifer aufkaufen! Das muss gestoppt werden!!!“, twitterte Maude Barlow, eine kanadische Aktivisitin, Autorin und Vorsitzende von World Water Watch, im Februar 2018. Die „Mint Press“ berichtete: „Ein konzertierter Schlag in Südamerika wird vorbereitet, der bald eines der weltweit größten Reservoire an Süßwasser in die Hände von transnationalen Konzernen wie Coca-Cola und Nestlé fallen lassen könnte. Berichten zufolge haben Gespräche über die Privatisierung des Guarani Aquifers bereits eine fortgeschrittene Stufe erreicht.“ Freilich wird qua Neusprech die Privatisierung in wohlfeile Worte gekleidet: Eine „einzigartige öffentlich-privat-zivilgesellschaftliche Zusammenarbeit“ (vgl. PPP, engl. „Public-Private Partnership“) soll „offene, vertrauensbasierte Dialogprozesse fördern, um die Reform der Wasserressourcen in bezüglich Wasser angespannten Ländern in Entwicklungsökonomien voranzubringen.“
Während das diesjährige 8. Weltwasserforum (WWF, engl. „World Water Forum) in Brasilien stattfand, versammelten sich die „Frauen ohne Land“ in São Lourenço zu Protesten vor dem brasilianischen Hauptquartier von Nestlé, um Temers Privatisierungspolitik anzuklagen. Eine der Wortführerinnen sagte dort: „Stellt Euch mal vor, ihr werdet dazu gezwungen, Euer Wasser in Flaschen zu kaufen, um Euren Durst zu stillen. Das ist es, was diese transnationalen Konzerne wollen. Offiziell reden sie über verbessertes Wassermanagement in Brasilia. Aber in Wirklichkeit verhandeln sie über Konzessionen für unser Wasser zu Spottpreisen.“ Letztlich kann es auf derartige Übergriffe nur eine Antwort geben: Die weltweite Zivilgesellschaft muss ihrer moralischen Verpflichtung nachkommen und dem globalisierten Raubtierkapitalismus Einhalt gebieten. 1) CounterCurrents: Water is life – they are stealing our livelihood and we aren’t even noticing; Artikel vom 23.3.2018
Ein Beispiel aus dem Jahr 2000 veranschaulicht diese Macht der Zivilgesellschaft auf beeindruckende Weise. In Cochabamba, der viertgrößten Stadt Boliviens, erhöhten sich die Wasserpreise um 30 bis 300 Prozent, nachdem eine bis dahin unbekannte Firma namens Aguas del Tunari die alleinige Wasserkonzession bis zum Jahr 2039 übernommen hatte. Jede Familie sollte nun ein Viertel ihres Einkommens nur für ihr Wasser bezahlen. „Schließlich legte ein Gesetz subtil und zwischen den Zeilen fest, dass es illegal sein sollte, Regenwasser zu sammeln. Stellen Sie sich vor: der Regen wurde privatisiert!“, berichtet Oscar Olivera von der „Koalition zur Verteidigung des Wassers“. Auch Ex-Nestlé-Chef Brabeck hat sich im Zusammenhang mit derartigen Phänomenen geäußert und stellt seine Sicht so dar: „Wenn wir Wasser einen Wert geben, wird dies ein Anreiz sein, in die Sicherstellung unserer Versorgung zu investieren“. Dies scheint zumindest für den Fall Cochabamba widerlegt zu sein. Die Bewohner der Andenstadt jedenfalls stellten sich der Privatisierung der einheimischen Fabriken entgegen, woraufhin die Regierung die Polizei schickte, um den Vertrag durchzusetzen. „Ich war bereit, für unser Wasser zu sterben!“, erinnert sich eine Bäuerin. Nach Wochen des Protestes wurde bekannt, wer hinter Aguas del Tunari stand: der milliardenschwere US-Konzern Bechtel. Daraufhin intensivierten sich die Auseinandersetzungen so stark, dass dabei sechs Menschen ums Leben kamen. „Schließlich hat die Bevölkerung Polizei und Militär vertrieben. An diesem Tag gab es keine Polizei und kein Militär mehr, keine Politiker und Autoritäten. Keiner hat die Bevölkerung bevormundet“, erzählt Olivera. Nachdem die Firma Bechtel Cochabamba fluchtartig verlassen hatte und die bolivianische Regierung die Privatisierung rückgängig machte, war der Wasserkrieg nach 6 Monaten gewonnen. Noch 17 Jahre später kann man die Auswirkungen dieses Sieges beobachten: Am 29.10.2017 verkündete Carlos Ortuño, der bolivianische Minister für Umwelt und Wasser, auf der Feier des „Nationalen Tages des Wassers und der sanitären Grundversorgung“ die Verabschiedung eines neuen Gesetzes über das Recht auf Wasser. Darin wurden auch Bestimmungen verankert, anhand derer das Recht auf Wasser aktiv durchgesetzt werden kann. 2) Youtube: Bolivien – Wasserkrieg in Cochabamba; Beitrag veröffentlicht am 1.1.2013 3) Wikipedia: Cochabamba; Stand: 23.7.2018 4) Nestlé: Wasser ist ein Menschenrecht: Interview mit Peter Brabeck-Lethmathe; Video vom 4.9.2013 5) Amerika21: Bolivien verabschiedet Gesetz über Recht auf Wasser; Artikel vom 3.11.2017 6) Klagemauer-TV: Bolivien –Wasserversorgung ist ein Menschenrecht; TV-Beitrag vom 9.7.2018Besonders problematisch ist es, wenn Wasserkonzerne die Wasserrechte in trockenen, armen Regionen aufkaufen; dies ist vor allem in Afrika der Fall. Das Abpumpen von Wasser in großen Mengen führt zur Senkung des Grundwasserspiegels, wodurch die Brunnen austrocknen. In dem kleinen äthiopischen Örtchen Sululta pumpte Abessinien Springs, an denen Nestlé eine Mehrheitsbeteiligung hat, im Jahr 2016 laut The Guardian 50.000 Liter Wasser pro Stunde ab. Das ist mehr als die Hälfte dessen, was der Regierung für die einheimische Bevölkerung zur Verfügung steht. Das abgepackte Wasser der Firma kann sich jedoch niemand leisten. In Doornkloof, einem südafrikanischen Dorf nahe Pretoria, nutzt der Schweizer Großkonzern seit 2011 eine Wasserquelle für seine Marke „Pure Life“. Viele Einheimische arbeiten dort in 12-Stunden-Schichten mit lediglich 15 Minuten Pause. Eine Kantine gibt es nicht. Wenn sie abends bzw. morgens die Wasserfabrik verlassen, kehren sie in ihre Hütten zurück, in denen ihnen oftmals weder fließendes Wasser noch sanitäre Anlagen zur Verfügung stehen. 7) Wasser macht gesund: Der Kampf um die Wasserrechte; Stand: 25.7.2018 8) ARD, Weltspiegel: Südafrika – Wem gehört das Wasser?; TV-Beitrag vom 5.5.2013 9) Netzfrauen: Trotz Dürre-Katastrophe – Nestlé pumpt 50.000 Liter pro Stunde Wasser aus Äthiopiens Boden und baut die Milchwirtschaft aus; Artikel vom 12.4.2017 10) The Guardian: Ethiopian boomtown that welcomes water firms but leaves locals thirsty; Artikel vom 9.3.2017
Dass die Felder in den ohnehin schon dürren Regionen nicht mehr ausreichend bewässert werden können, ist ein weiteres Problem, das mit dem Abpumpen des Wassers einher geht. Dies begünstigt natürlich gerade in Ländern, in denen Dürreperioden und Hungerkatastrophen geschehen, ebendiese. 11) Netzfrauen: Trotz Dürre-Katastrophe – Nestlé pumpt 50.000 Liter pro Stunde Wasser aus Äthiopiens Boden und baut die Milchwirtschaft aus; Artikel vom 12.4.2017 12) Focus Money Online: Dreckiges Geschäft mit Wasser: Mit zwei Tricks machen Konzerne aus Leitungswasser Gold; Artikel vom 22.3.2017
Umso wichtiger ist die Aufforderung an die Zivilgesellschaft, bewusst zu konsumieren und durch die „Macht des Geldbeutels“ zu entscheiden, welche Produkte man unterstützen will und welche nicht.
Abschließend soll nicht unerwähnt bleiben, dass es gerade in Zusammenhang mit einem so unerfreulichen Thema wie der Wasserprivatisierung immer wieder auch mal positive Nachrichten gibt. Diese sollten wir nicht übersehen. In der kühlen, hochgelegenen Wüstenlandschaft des Himalayas schmelzen die Gletscher aufgrund des Klimawandels auf eine derart unberechenbare Weise, dass die vom Schmelzwasser abhängigen Bewohner ganzer Regionen von ihrer Lebensader abgeschnitten werden. Dem begegnete der indische Ingenieur Sonam Wangchuk mit einer brillianten Erfindung. Durch ein Pipeline- und Bewässerungssystem führte er das Gletscherwasser in die kargen Regionen ab und frierte es im Winter in überdimensionale, konische Eishügel ein. Weil diese wiederum regionalen, religiösen Strukturen ähneln, nennt Wangchuk sie „Eis-Stupa“. Aufgrund der geometrischen Form schmilzt das Eis nur sehr langsam, so dass den Bauern über die durch Wassermangel geprägte Aussäh-Saison hinweg bis zum Spätfrühling Millionen an Litern Wasser zur Verfügung stehen. So konnte die lokale Essens- und Wasserknappheit überwunden werden. Für dieses kleine Wunder der Wüstenbegrünung wurde der Pionier 2016 von den „Rolex Awards for Enterprise“ geehrt und erhielt ein Jahr später den „Global Award for Sustainable Architechture“. Dadurch wurde es ihm möglich, 20 weitere Stupas zu bauen, von denen jede einzelne 10 Millionen Liter Wasser bereit stellt. 13) Rolex Awards: Sonam Wangchuk; Stand: 25.7.2018 14) Wikipedia: Sonam Wangchuk; Stand: 25.7.2018Fußnoten und Quellen:
Daniel Volke
Veröffentlicht um 12:49h, 26 JuliDanke für eure großartige und immens wichtige Arbeit!
Sehr informativ, hilft zu verstehen in welchem Zusammenhang jeder EU Bürger mit den globalen Problemen in “fernen Ländern“ steht und dass jeder! etwas zu einer besseren Welt beitragen kann.
daniel
Veröffentlicht um 13:20h, 26 JuliLieber Herr Volke,
vielen Dank für Ihre Wertschätzung! :) Schön, wenn unsere Artikel dazu beitragen, das Verständnis für global-politische Zusammenhänge zu „fördern“. Genau dafür sind sie geschrieben. Zumindest fühlt es sich so an ;)
Herzliche Grüße und – wenn Sie wollen – noch weiterhin viel Spaß auf unseren Seiten,
Daniel Rodriguez vom earthlink-Team
Charly
Veröffentlicht um 13:57h, 27 JuliIch habe Menschen in Äthiopien gesehen, das ist wirklich traurig und andere Menschen sollten den Menschen in der Dritten Welt mehr Aufmerksamkeit schenken.
Kipperer Josef
Veröffentlicht um 23:51h, 29 JuliPasst genau zum Beitrag
Betreff: Sendereihe Kla.TV
Ihr Beitrag ,,Instrumentalisierende Kriegsführung“ (Flüchtlinge als Kriegswaffe)
Alle Flüchtlinge nach Brüssel, die haben alles eingefädelt mit Mama Merkel, wie die Flüchtlinge zu sagen pflegen.
Und Recht hat ein Afrikaner der folgendes im Video sagte;
Noch ist nicht abzusehen wann der Strom der Migranten abreißt die sich in brüchigen Holzbooten auf den heiligen Weg ins gelobte Land machen. Kein Stacheldraht oder die Boote der Küstenwache können die Boatpeople stoppen, sondern nur die Aussicht auf eine menschenwürdige Zukunft im eigenen Land, und ich sage euch es gibt noch eine Hoffnung, denn unsere Armut wird euch nerven und den Westen ermüden, denn ihr seht ja, massenhaft kommen unsere Menschen nach Europa und sie überfluten euren Kontinent und deswegen sage ich Euch, der gerechte Handel ist ein Handel der es erlaubt, dass ihr zu Hause eure Ruhe habt und unsere Jugend euch nicht stört, dass unsere Jugend hier in Afrika bleibt um zu arbeiten, dass ist wirklich gerechter Handel im Sinne der Menschen in Afrika.
Wahltermine EU Wahlen
Nächste EU-Wahl in Österreich: voraussichtlich 26. Mai 2019
nähere Infos zur => EU-Wahl in Österreich
Also sehr geehrte Damen und Herren der europäischen Union. Noch haben sie Zeit Reaktionen zu zeigen, ansonsten ist der 26. Mai 2019 hoffentlich nicht nur Wahltag, sondern auch Zahltag!!!!
Überfischung der Ozeane zerstört einheimische Fischerei des Globalen Südens
Wie IWF und Weltbank Staaten zur Privatisierung von Wasser zwingen
Wie die Industriestaaten Somalia als Giftmüllhalde benutzen
Veröffentlicht am 28. Feb 2018 in Grund von Sonja / earthlink
https://youtu.be/QI0C_qUhdfU?t=1010 Aussage über Mafia
Mit den Flüchtlingen machen wir mehr Geld als mit den Drogen
Klick; Toxic Somalia, Somalia und die
Giftmüllmafia (Dokumentarfilm) – Deutsch
Um eine Tonne Giftmüll vor der Küste Somalia abzuladen, werden lediglich 2,50 US-Dollar fällig. Das macht die Gewässer vor den Toren des bitterarmen ostafrikanischen Landes zur billigsten Müllhalde der Welt. Während diese illegale Müllentsorgung eine ergiebige Einnahmequelle für ausländische Geschäftemacher ist, macht der giftige Abfall, der zumeist aus den reichen Ländern Europas stammt, Hunderte von Somaliern krank. Aber wer lädt hier wirklich seinen Müll ab und wer profitiert von diesem verbrecherischen Treiben?
Sehr geehrte Damen und Herren der europäischen Union!
Handeln, der 26.Mai 2019 ist schneller da als Sie glauben