Wie deutsche Investitionen und Importe im Agrarsektor Vertreibung und Armut in Brasilien fördern
In Brasilien rauben große Agrarkonzerne Kleinbauern Land, um darauf Soja, Mais oder Zuckerrohr anzubauen. Mitverantwortlich für diese Landnahme und die schweren Umweltschäden sind unter anderem auch deutsche Importe, vor allem von Tierfutter. Aber auch Land-Investitionen von europäischen Pensionskassen führen in Brasilien zu Vertreibung und anderen Menschenrechtsverletzungen. 1) Epo: FIAN kritisiert anhaltende Menschenrechtsverletzungen in Brasiliens Agrarindustrie; Artikel vom 22.06.2018
Vom 24. bis 26. Juni trafen sich der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und die brasilianische Confederação Nacional da Indústria (CNI) zu den 36. Deutsch-Brasilianischen Wirtschaftstagen in Köln. Dort machte die Organisation FIAN, die sich als internationale Menschenrechtsorganisation dafür einsetzt, dass alle Menschen frei von Hunger leben und sich selbst ernähren können, abermals auf gravierende Menschenrechtsverletzungen im Agrarsektor in Brasilien aufmerksam, für die deutsche Investitionen und Importe mitverantwortlich sind. 2) FIAN: Pressemitteilung zu den Deutsch-Brasilianischen Wirtschaftstagen: Protestaktion von FIAN gegen Menschenrechtsverletzungen; nicht mehr verfügbar
30 Menschenrechts-Experten der Organisation hatten im September 2017 die sozialen, ökologischen und menschenrechtlichen Konsequenzen der massiven Ausdehnung des Soja- und Zuckerrohr-Anbaus im Nordosten Brasiliens recherchiert. Seit dem Jahr 2000 haben sich die Anbauflächen für Monokulturen dieser Lebensmittel fast verdreifacht. Die Expansion führt zu Vertreibung, besonders betroffen ist dabei die indigene Bevölkerung durch Landgrabbing. Landgrabbing ist die Bezeichnung für den Aufkauf oder den Raub großer Landflächen durch einzelne Investoren. Dafür werden häufig traditionelle Landrechte übergangen oder für ungültig erklärt. Kleinbauern, die bereits seit Generationen auf besagtem Land leben und anbauen, können meist keine offiziellen Dokumente aufzeigen und haben deshalb keine Ansprüche, wenn ihnen durch den Raub ihre Lebensgrundlage entzogen wird. Beispielsweise kämpfen im Bundesstaat Mato Grosso do Sul etwa 30.000 Indigene vom Volk der Guarani-Kaiowá um Zugang zu ihren traditionellen Gebieten. Sie wurden von ihrem Land vertrieben, um Platz für eine großflächige Landwirtschaft zu schaffen. Die Agrarfirmen machen sich diese undurchsichtigen Verhältnisse zu Nutzen und fälschen außerdem beispielsweise Landtitel und kaufen später ganz „legal“ das Land auf – korrupte Behörden helfen dabei. Bereits in den letzten Jahren wurden in Piauí riesige Landflächen durch Fälschung von Landtiteln den dort ansässigen Bauern entzogen und von Agrargroßkonzernen in Besitz genommen. Schon mehr als 11.000 Kleinbauern sind aufgrunddessen von Zwangsvertreibung betroffen – und über vier Millionen Hektar Land von internationalen Unternehmen privatisiert worden. Außerdem sind auch die ökologischen Folgen nicht zu unterschätzen. Die Bewirtschaftung der agroindustriellen Großplantagen durch ausgedehnte Monokulturen, bei denen Pestizide intensiv zum Einsatz kommen, birgt ein hohes Risiko negativer Auswirkungen auf die Umwelt und die lokale Bevölkerung. In der Regenzeit werden die Chemikalien direkt in die Flüsse gespült, verunreinigen das Wasser und machen es somit ungenießbar – somit schwinden nach und nach die Wasservorräte. Auch aus der Luft werden die Felder mit den Mitteln besprüht, was anliegende Gemeinden in Mitleidenschaft zieht. Zudem sinkt der Grundwasserspiegel durch den zunehmenden Anbau von Monokulturen. Somit wird die Ernte anderer Agrarprodukte zum Schlechten beeinflusst, beispielsweise der Buriti-Palme, die ein wichtiges Handelsgut für die Gemeindebewohner darstellt. Eine weitere Folge der Ausweitung von Monokulturen ist der Verlust der Artenvielfalt. All diese in Erfahrung gebrachten Verstöße zeigen, dass „Land“ mehr und mehr ein Renditeobjekt für internationales Finanzkapital darstellt und immer weniger für Ernährung und ein Auskommen lokaler Gemeinden zu Verfügung steht – soziale Probleme und Spannungen werden dadurch immer weiter verschärft. Allein im vergangenen Jahr sind 70 Menschenrechts-Verteidiger ermordet worden, häufig im Zusammenhang mit Landkonflikten. Auch 62 Bauern mussten im Jahr 2016 in Landkonflikten ihr Leben lassen. 3) Schrot&Korn: Land oder Leben!; nicht mehr verfügbar
All dies verdeutlicht, dass das häufig vorgebrachte Argument, die Agrarindustrie sei zentral für die Entwicklung Brasiliens, fadenscheinig ist. „Der größte Teil der landwirtschaftlichen Produktion Brasiliens dient dem Export von Agrarrohstoffen wie Soja, Mais und Zuckerrohr. Die Ausbreitung dieser Monokulturen dient lokalen Eliten sowie transnationalen Unternehmen wie BASF, Bayer oder Cargill, die die Märkte für Saatgut, Pflanzenschutzmittel, Dünger und Maschinen dominieren, nicht jedoch der örtlichen Bevölkerung“, so Almudena Abascal, Lateinamerika-Referentin von FIAN.
Mitverantwortung für diese Situation tragen Investitionen internationaler Pensionskassen, unter anderem aus Deutschland, Schweden und den Niederlanden. Seit knapp zehn Jahren bereits investieren Pensionsfonds, die weltweit über 40 Billionen US-Dollar halten, vermehrt in Agrarland. FIAN fordert aus diesem Grund eine staatliche Regulierung von Auslandsinvestitionen, speziell von Pensionsfonds: „Deutsche Aufsichtsbehörden dürfen nicht nur – wie bisher – den Werterhalt solcher Anlagen prüfen, sondern müssen sie auch auf die Einhaltung von Menschenrechten abklopfen und notfalls haftbar machen“, sagte Roman Herre, Agrarreferent von FIAN. 4) FIAN: FIAN-Recherche zu Landgrabbing: Artikel in „Schrot&Korn“; nicht mehr verfügbar
Fußnoten und Quellen:
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