Wie die westliche Nachfrage nach Shrimps weltweit Mangrovenwälder zerstört
Vor knapp einer Woche veröffentlichte The Nature Conservancy, ein Bündnis von Entwicklung Hilft und dem Environmental Hydraulics Institute „IHCantabria“, eine Studie mit dem Titel: „The Global Value of Mangroves for Risk Reduction“. In dieser Studie wird abgebildet, wie Mangroven das Katastrophenrisiko für Menschen und Sachwerte in Küstengebieten senken können. Doch diese sind stark bedroht: Seit Mitte des 20. Jahrhunderts ist etwa die Hälfte der globalen Mangrovenbestände verloren gegangen. Aufgrund des Verlusts der Mangrovenwälder sind weltweit 18 Millionen Menschen mehr durch Überschwemmungen gefährdet. 1) Bündnis Entwicklung Hilft: Studie: Ohne Mangroven bedrohen Überschwemmungen weltweit 18 Millionen Menschen mehr; nicht mehr verfügbar
Als „Mangroven“ bezeichnet man Wälder, die im Gezeitenbereich tropischer und subtropischer Meeresküsten vorkommen. Da sie auf ruhiges, warmes Wasser angewiesen sind, sind sie vor allem in Meeresbuchten oder hinter Korallenriffen an den Küsten Südamerikas, Afrikas, Ozeaniens und Südostasiens zu finden. Sie gehören zu den produktivsten, artenreichsten und anpassungsfähigsten Ökosystemen der Erde. Die Mangrovenwälder setzen sich aus Salz-toleranten Sträuchern und Bäumen zusammen, die zu unterschiedlichen Pflanzenfamilien gehören. Man zählt bis zu 70 verschiedene Arten dazu. Alle Arten haben jedoch gemeinsam, dass sie sich an den sehr wechselhaften und empfindlichen Lebensraum durch die Entwicklung spezieller Strukturen raffiniert angepasst haben. 2) Pro Regenwald: Mangrovenwälder; Stand: 07.05.2018
Mangroven schützen die Küsten vor Erosion und Sturmschäden, da sich ihre Wurzeln tief im Boden verankern und ihn damit festhalten. Sie sind in der Lage, sich an den steigenden Meeresspiegel anzupassen, indem sie ihr Wurzelbett erhöhen. Zugleich absorbieren sie große Mengen von klimaschädlichen Gasen wie Kohlendioxid oder Methan, was dem Klimawandel entgegenwirkt. Außerdem können Sturmflutwellen und Tsunamis auf Städte an der Küste durch davorliegende, intakte Mangrovenwälder reduziert werden. Dies ist wohl einer der wichtigsten Faktoren, denn mehr als 60 Prozent der Bevölkerung lebt in der Nähe der Küste und ist davon betroffen.
Mangroven sind im Vergleich zu beispielsweise Staudämmen eine deutlich kostengünstigere Maßnahme zum Schutz vor Überschwemmungen. 3) Entwicklungspolitik Online: Mangroven schützen weltweit 18 Millionen Menschen vor Überschwemmungen; Artikel vom 03.05.2018 In Vietnam, Indien, Bangladesch, China und auf den Philippinen sind die Effekte von Mangroven für den Schutz von Menschenleben am größten. In China, den USA, in Indien, Mexiko und Vietnam wirken sich Mangroven am stärksten auf den Schutz von Sachwerten aus. 4) Bündnis Entwicklung Hilft: Studie: Ohne Mangroven bedrohen Überschwemmungen weltweit 18 Milionen Menschen mehr; Artikel vom 02.05.2018
Es können verschiedene Gründe für das Zurückweichen der Mangroven genannt werden. Einheimische nutzen das Holz als Baumaterial oder Holzkohle. Dies macht jedoch nur einen geringen Teil der Waldvernichtung aus. Weitaus schlimmer ist das Roden für den Auf- und Ausbau touristischer Infrastruktur wie Strandhotels oder neuer Straßen. Desweiteren trägt die zunehmende Umweltverschmutzung durch den Eintrag von unbehandelten Abwässern oder Müll dazu bei. Durch Schadstoffe im Wasser sterben die Bäume und Sträucher. Auch die Ausweitung landwirtschaftlicher Nutzflächen, wie für z.B. Palmölplantagen und Reisfelder, sind ein Faktor. Doch der Hauptgrund sind die expandierenden Garnelenzuchtfarmen. Garnelen sind international begehrte Luxusartikel und die Nachfrage steigt ständig. Besonders für Entwicklungsländer ist der Handel mit der hochwertigen und teuren Produktgruppe eine bedeutende Devisenquelle.
In den siebziger Jahren, als preiswerte Eiweißversorgung für die Länder der Dritten Welt propagiert und durch internationale Organisationen wie der Weltbank mit Millionenkrediten gefördert wurde, hat sich die industrielle Shrimps-Produktion zu einem Geschäft mit einem jährlichen Handelswert von mehr als sechs Milliarden US-Dollar entwickelt. Das nährstoffreiche Brackwasser der Mangroven eignet sich hierfür besonders. Mangrovenwälder werden gerodet, um neue Becken für das Aquaplaning anzulegen. Die Mischung von Salz- und Süßwasser schafft ideale Lebensbedingungen für die Garnelen. Dies hat jedoch Folgen für Mensch und Natur. Entstandene Schäden an der Umwelt verändern die Lebenssituation der lokalen Bevölkerung.
Durch die großflächige Vernichtung der Mangrovenwälder erhöht sich laut Entwicklung Hilft das Risiko von Überschwemmungen. Ohne Mangroven steigt das Risiko einer Flut um 39 Prozent an, es wären also 18 Millionen Menschen mehr dieser Gefahr ausgesetzt. Der Sachschaden würde um 16 Prozent ansteigen – umgerechnet um 82 Billionen US Dollar. Menschen in Küstenregionen sehen sich gezwungen, rechtzeitig zu fliehen, um einer solchen Naturkatastrophe zu entkommen. Diejenigen, die einen Tsunami miterlebt haben und denen dadurch alles genommen wurde, fliehen ebenfalls, um sich ein neues Leben aufzubauen. 5) Bündnis Entwicklung Hilft: Studie: Ohne Mangroven bedrohen Überschwemmungen weltweit 18 Millionen Menschen mehr; Artikel vom 02.05.2018
Der Verlust der Mangrovenwälder hat nicht nur ein erhöhtes Risiko von Überschwemmungen zur Folge, sondern ist auch für die Kleinfischerei gravierend, eines der Hauptgeschäfte der dort Eingesessenen. Auch beispielsweise der Anbau von Reis, dem Hauptnahrungsmittel in Asien, wird durch die Versalzung der Böden vielerorts stark beeinträchtigt. Die Massentierhaltung erzeugt darüber hinaus weitere Probleme. Der Einsatz von Pestiziden und Fungiziden ist üblich. Die Tiere – bis zu 300.000 Exemplare auf weniger als einem Hektar – sind sehr anfällig für Parasiten und Krankheiten. Als Gegenmittel verwenden die Farmbetreiber große Mengen von Antibiotika, von denen schlussendlich 70 – 80 Prozent in die Umwelt gelangen.
Die durch den Ausbau der Aquakultur entstehenden Umweltschäden verändern auch tiefgreifend die Lebenssituation der lokalen Bevölkerung. Über Jahrhunderte hinweg hat sie sich an die gegebenen Bedingungen angepasst und ist vom Erhalt der natürlichen Ressourcen abhängig. Naturzerstörung bedeutet hierbei also auch die Vernichtung der Lebensgrundlage der Menschen. Denn fast alle Bereiche des täglichen Lebens basieren auf Rohstoffen aus den Mangrovenwäldern: Baumaterial für Häuser und Boote, Faserstoffe oder Brennholz. Auch Nahrungsmittel wie Schalentiere oder Heil- und Nutzpflanzen gewinnt die Bevölkerung aus diesem Lebensraum. Angesichts der möglichen Gewinne dieses Geschäfts werden die Grenzen zur Illegalität schnell überschritten. Aus verschiedenen Teilen der Welt ist bekannt, dass Polizeibehörden und staatliche Entscheidungsträger eng mit den Züchtern zusammen arbeiten, wenn es um die Vergabe von Landtiteln und die Beseitigung von Widerstand geht. Straftaten bis hin zu Mord werden gedeckt und die Betroffenen systematisch eingeschüchtert. Die Länder konzentrieren sich zudem sehr stark auf die Garnelenzucht und müssen deshalb Einbußen in anderen Wirtschaftsbereichen wie Fischerei und Landwirtschaft einstecken. Verelendung in den Städten als Folge der Landflucht und nicht zuletzt enorme Kosten für den früher oder später notwendigen Küstenschutz relativieren das Kosten-Nutzen-Verhältnis drastisch. Es lässt viele Länder also zu einem volkswirtschaftlichen Verlustgeschäft werden. Viele Menschen fliehen aus den genannten Gründen aus diesen Gebieten, um sich und ihren Familien ein besseres Leben zu ermöglichen.
Dem EU-Markt kommt eine besondere Bedeutung zu, da hier der Verbrauch tropischer Garnelen ständig steigt. Gerade in Deutschland findet man zunehmend Gefallen an dieser Delikatesse, die mittlerweile eigentlich überall günstig zu bekommen ist und deren Konsum in den letzten Jahren zweistellige Zuwachsraten aufwies. Auch auf den Tischen von Feinschmeckern in den USA und Japan landen Shrimps. Hier ist also nicht zuletzt der Endverbraucher im Westen gefordert, Verantwortung zu übernehmen. 6) Pro Regenwald: Mangrovenwälder; Stand: 07.05.2018
Fußnoten und Quellen:
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