Supermarktketten verstoßen bei Produktion von Wein in Südafrika gegen Menschenrechte
Laut der Studie „Billig verkauft – teuer bezahlt“, die von der Kampagne „Make Fruit Fair!“ der Entwicklungsorganisation Oxfam ausgeht, dominieren die Discounter-Ketten wie Aldi, Rewes Penny, Lidl und Edekas Netto-Markendiscount den Weinmarkt in Deutschland mit einem Anteil von 40 Prozent des hier konsumierten Weins. Die „Big Four“ Edeka, Rewe, Aldi und Schwarz-Gruppe (Lidl, Kaufland) teilen sich über 80 Prozent des Umsatzes. Währenddessen wird von den Supermärkten Rewe und Edeka 21 Prozent der Verkaufsmenge umgesetzt. 67 Prozent des Gesamtumsatzes werden bei Tafeltrauben und frischem Obst erzielt. Das verleiht den deutschen Discountern und Supermarktketten einen enormen Einfluss auf die Weinproduktion bzw. auf ihre Lieferanten.
Die Studie basiert auf einer Untersuchung der Partnerorganisation Oxfams, Women on Farms Project (WFP), die sich seit dem Jahr 1993 für Arbeiterinnen bzw. Frauenrechte insbesondere auf Weintraubenplantagen einsetzt, und ist Teil von vielen Oxfam-Berichten, die darauf abzielen, Menschenrechtsverstöße aufzudecken. Diese Berichte bringen immer wieder Erstaunliches zutage, da sie ständige Menschenrechtsverletzungen von deutschen Einzelhandelsunternehmen entlang der Lieferketten von tropischen Früchten aus den Produktionsstaaten aufdecken. Doch trotz Veröffentlichung der brisanten Dokumente, verändert sich die Situation in den Produktionsländern kaum, sie verschlechtert sich eher. Insgesamt wurden 343 südafrikanische Plantagenarbeiterinnen im Zeitraum März 2016 bis Februar 2017 befragt. 1) Oxfam Studie: „Billig verkauft – teuer bezahlt“; 10.10.2017
Am meisten leiden an dem riesigen Preisdruck bzw. Gewinnpotenzial der Firmen auf dem südafrikanischen Wein – und Tafeltraubenmarkt südafrikanische Frauen auf den Weinplantagen bzw. Farmen. Diese sind neben anderen Arbeitergruppierungen betroffen. Jedoch werden sie am meisten ausgebeutet und stehen ganz unten auf der Richterskala, wenn es um ausbeuterische zielgerichtete bzw. gewinnorientierte Arbeitsbedingungen geht. Auf den Plantagen spielen sich unhaltbare, fast schon dramatische Zustände ab. 20 Prozent der Frauen erhalten weniger Geld als Männer, und den für sie angesetzten Mindestlohn erhalten sie auch nicht, was einem Hungerlohn gleichkommt. Die schuftenden Arbeiterinnen werden vor allem sexuell diskriminiert und mit giftigen und umweltbelastenden Pestiziden vergiftet. Dabei arbeiten sie ganz ohne die für diese Tätigkeit notwendige Schutzkleidung. Die fast schon als Sklaven gehaltenen Frauen werden von vielen Farmern nie als Gewerkschaftlerinnen zugelassen. Die Farmer verbieten außerdem Gewerkschaftlern, die Plantagen zu betreten. Somit können sich diese Frauen gar nicht wehren.
Das größte Problem für die derzeitige schwerwiegende Situation stellt der große Preisverfall des durchschnittlichen Exportpreises für den südafrikanischen Wein dar. Seit dem Jahr 2000 ist dieser um 80 Prozent gesunken, wohingegen die Produktionskosten in den letzten zehn Jahren explosionsartig gestiegen sind, um ganze 48 Prozent. Dementsprechend erhalten südafrikanische Produzenten nur 25 Cent pro Flasche, was ca. 10 Prozent des durchschnittlichen Einzelhandelspreises darstellt. Der Ausfuhrpreis für Weintrauben liegt hierbei ähnlich bei gut 0,77 Eurocent (erfasst vom Jahr 2015) pro Kilogramm. Dies stellt diesen Preis weit unter den des Weltdurchschnitts von ca. 1,10 Eurocent. „Die Supermärkte diktieren ruinöse Preise, diesen Preisdruck geben die Produzenten nach unten weiter: an die Arbeiter/innen, die auf den Plantagen schuften“, erläutert Frau Dr. Franziska Humbert, Oxfam-Expertin für soziale Unternehmensverantwortung und Studienautorin.
Problemfall ist hierbei der Tankwein: Für deutsche Importeure stellt der Tankwein einen großen Preisvorteil dar, da er nicht wie gewöhnlich in Flaschen exportiert werden muss. Die Einfuhr des Tankweins ist fast um die Hälfte billiger als der von Flaschenwein, woraufhin der Wein nur hier in Deutschland umgefüllt wird. Dies bedeutet einen stark unvorteilhaften Wert- und Stellenverlust für die Weinindustrie in Südafrika. Die Mischung des Weins und die Erschaffung der Marke finden auch nicht mehr in Südafrika statt, sondern hier. Das wiederum sind aber die zentralen Punkte der Wertschöpfungskette. Damit macht man den Wein als Rohstoff austauschbar und richtet ihn vollkommen auf den Preis aus, was Einzelhändlern und Importeuren in die Hände spielt, wenn es um das billigste Angebot geht. Im Jahr 2014 wurden demnach rund 79,4 Prozent des südafrikanischen exportierten Weins nach Deutschland gebracht. 2) Oxfam Studie: „Billig verkauft – teuer bezahlt“; 10.10.2017 3) Oxfam.de: Billig verkauft – teuer bezahlt: Ausbeutung im südafrikanischen Weinanbau; 10.10.2017
Zudem gibt es eine fehlende Transparenz in Bezug auf die Weinproduktion. Denn auf Nachfrage von Oxfam hat keine der vier größten Supermarktketten zu den Vorfällen Stellung bezogen. Vielmehr dementiert beispielsweise Lidl die Argumentation Oxfams, denn es gebe im Unternehmen einen Verhaltenskodex, der mit allen Vertragspartnern vereinbart bzw. ausgehandelt wurde und der ethische sowie sozial gerechte Standards gewährleiste. Außerdem erwähnt Lidl, dass es ein Prüfsystem gebe, das gerade auf die von Seiten der Entwicklungsorganisation umstrittene nachhaltige Entwicklung pocht. Nichtsdestotrotz akzeptiert Oxfam diese Erklärung nicht. Keine Handelskette habe laut der Organisation die Plantagenorte, aus denen die ganzen Weine kommen, offengelegt. Deshalb können die Verbraucher die Informationen nicht nachlesen und umweltbewusst handeln, denn auf den in Deutschland umgefüllten Weinflaschen stehen keinerlei solche Daten auf dem Etikett, sondern nur der deutsche Importeur und der Abfüller. 4) Deutschlandfunk.de: Ausbeutung in südafrikas Weinbau; nicht mehr verfügbar 5) Oxfam Studie: „Billig verkauft – teuer bezahlt“; 10.10.2017
Die Forderungen von Oxfam sind dementsprechend weitreichend: Die Regierung in Südafrika soll ein nationales Arbeitsrecht einführen, das von Frauenorganisationen und Gewerkschaften ordnungsgemäß unterstützt und gefördert wird. Die Rechte von Landarbeiterinnen sollen angemessen vertreten werden. Für PlantagenbesitzerInnen gilt, dass diese auf die Arbeitsrechte ihrer Landarbeiter viel mehr achten müssen. Supermarktketten und Importeure sind dazu verpflichtet, Menschenrechte bei ihren Lieferanten durchzusetzen. Dazu muss von der deutschen Bundesregierung ein Gesetz verabschiedet werden, das sich an den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte orientiert und die Supermarktketten sowie Importeure in die Pflicht ruft, diese Standards auch einzuhalten.
Ein struktureller Wandel muss her. Dafür ist die konsequente Umsetzung des Arbeitsrechtes in Südafrika nötig, und die Einführung weitreichender Gesetze zur Abschirmung solcher Unterfangen muss auch in Deutschland höchste Priorität haben. 6) Oxfam Studie: „Billig verkauft – teuer bezahlt“; 10.10.2017
Bevor es noch mehr Flüchtlinge in Afrika gibt und die Menschen ihr eigenes Land im wirtschaftlichen Elend hinter sich lassen, sollte die Politik Unternehmensstandards genau unter die Lupe nehmen und auf Organisationen wie Oxfam hören. Wie kann der Marshallplan mit Afrika, der in den folgenden Jahren langsam umgesetzt werden soll, funktionieren, wenn genau die Unternehmen, die im selben Land (Deutschland), wie die von dem Marshallplan ausgehende Politik, sitzen und diese Politik durch ihre korrupten Machenschaften behindern bzw. nicht einmal zur Entfaltung bringen lassen?
„Die Supermarktketten sind das Nadelöhr, durch das Produzenten ihre Ware auf den deutschen Markt bringen müssen. Sie dürfen sich also nicht aus der Verantwortung stehlen: Wer sagt, wo es langgeht, muss auch für die Folgen geradestehen“, mahnt Frau Dr. Franziska Humbert. 7) Oxfam.de: Billig verkauft – teuer bezahlt: Ausbeutung im südafrikanischen Weinanbau; 10.10.2017
Fußnoten und Quellen:
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