Die EU ignoriert im Kampf gegen den Terror in der Sahel-Region die wahren Ursachen und Gründe
Die Sahel-Zone umfasst die fünf Länder Mali, Niger, Tschad, Burkino-Faso und Mauretanien. Diese fünf Staaten gehören schon jetzt zu den ärmsten Ländern der Welt und drohen mehr denn je im Chaos aus Schwierigkeiten und Problemen zu versinken. Extreme Armut, Nahrungskrisen, Konflikte, hoher Bevölkerungszuwachs, institutionelle Schwächen, irreguläre Migration und Verbrechen wie Menschenschmuggel sind nur einige der zahlreichen Problematiken, mit denen sie zu kämpfen haben. Zudem kommt ein gewalttätiger Extremismus hinzu, der die gesamte Region bedroht und potentielle Spillover-Effekte auf andere Regionen hat. 1) Allafrica: The European Union and the Sahel, Fact Sheet; kostenpflichtig Mittlerweile sehen sich daher 41 Millionen Menschen einer grassierenden Hoffnungslosigkeit gegenüber, was das Risiko einer Flucht oder eines Anschlusses an eine extremistische Organisation weiter erhöht.
Mali ist unter den fünf Ländern in der Sahel-Zone besonders gefährdet. In weiten Teilen des Landes gibt es weder Arbeit, noch Hoffnung. Seit der Staatsverschuldungskrise in den 1980er Jahren ist der Arbeitsmarkt besonders prekär, da viele landwirtschaftliche Arbeitsplätze weggefallen sind. Aufgrund der hohen Staatsverschuldung zwang die Weltbank das Land zu Privatisierungen und die Anpassung der Preise an den Weltmarkt. Das hatte für die Landwirte Malis, im Besonderen für Baumwoll-Farmer, verheerende Folgen. Durch die Anpassung der Preise an den globalen Marktwert verloren die Produkte an Profit, wodurch die Bauern ihre Konkurrenzfähigkeit verloren und sie seitdem dem Weltmarkt schutzlos ausgeliefert sind. 2) GEW: Warum Menschen fliehen; Report vom 06.2016
Ein weiteres Problem ist die weit verbreitete Korruption im Land. Gerade die Eliten Malis sind zum großen Teil in dubiose Geschäfte verwickelt. Speziell der Drogenhandel verleitet viele Politiker zu Korruption, da sie dadurch ihre eigene Macht sichern und ausbauen und zusätzlich eine Quelle zur Selbstbereicherung haben. Für Mali aber hat das durchweg negative Auswirkungen. Aufschwung und Weiterentwicklung werden so gebremst oder gar gestoppt. Für viele ist dabei das korrumpierte Regime um Präsident Ibrahim Boubacar Keita das wahre Grundübel der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Krise. Fast zwei Drittel der befragten Malier sind der Meinung, dass die Korruption unerträglich geworden sei. 3) IPG: Sieg des Islams und der Gläubigen; Artikel vom 23.05.2017
Zu dieser tristen Stimmung tragen auch die desolate Schul- und Gesundheitslage bei. Funktionierende und gut ausgestattete Krankenhäuser gibt es kaum mehr. Außerdem gibt es einen starken Ärztemangel. Ein Arzt ist in Mali für 10.000 Patienten verantwortlich, sodass sich das Gesundheitssystem mehr und mehr auflöst und zehntausende Kranke unversorgt auf medizinische Hilfe warten. Doch nicht nur Arbeiter, Hilfsbedürftige und Kranke erleben ein Umfeld geprägt von Tristesse und Hoffnungslosigkeit. Schon Kinder und Jugendliche wachsen in dieser trostlosen Umgebung auf. Es gibt nur eine rudimentäre Schulbildung, aufgrund der hohen Geburtenrate sind die Schulsysteme heillos überfordert, und immer mehr Kinder fallen komplett aus dem Schulsystem heraus. Die meisten Kinder bleiben so mit einer unzureichenden Schulbildung zurück, was eine neuerliche Generation in Armut und Arbeitslosigkeit verspricht. 4) IPG: Sieg des Islams und der Gläubigen; Artikel vom 23.05.2017
Diese Umstände kulminieren in einer Massenarmut. Mittlerweile leben sieben von zehn Malierinnen und Malier unterhalb der Armutsgrenze. 5) GEW: Warum Menschen fliehen; Report vom 06.2016 Das führt zu einer Radikalisierung der Bevölkerung und zu zunehmenden Gewaltausbrüchen. Seit Jahren tobt ein Bürgerkrieg zwischen UNO-Truppen, Tuareg- Rebellen und islamistischen Kämpfern. Hunderttausende wurden bereits vertrieben und tausende Todesopfer sind bereits zu beklagen. Der UN-Einsatz dauert mittlerweile fünf Jahre, hat jedoch nur mäßigen Erfolg. Mehr noch, der Konflikt scheint zunehmend auch auf die anderen Länder der Sahelzone und darüber hinaus überzuschwappen.
Diese Gefahr hat auch die EU erkannt. „Die Stabilität und Entwicklung der Sahel-Region ist nicht nur entscheidend für Afrika, sondern auch für Europa“ bemerkte die EU-Außenministerin Federica Mogherini. 6) Newsweek: Which Jihadi Groups Operate in Africa’s Sahel Region?; Artikel vom 06.06.2017 Daher entschied die EU ein neues Sicherheitspaket zu schnüren. 50 Millionen Euro sollen zukünftig für eine gemeinsame Streitmacht der Sahelstaaten in den Kampf gegen Terrorismus, Menschen- und Drogenhandel fließen. Zudem soll die Truppenstärke der Anti-Terror Einheit von 5.000 auf 10.000 Soldaten, Polizisten und Zivilisten erweitert werden. Diese Streitmacht soll die drängendsten Sicherheitsprobleme lösen und für Frieden sorgen.
Die geplante Strategie gibt jedoch Anlass zur Diskussion, gerade hinsichtlich ihrer Erfolgsaussichten. Denn der Einfluss radikaler Islamisten ist weniger auf wachsenden religiösen Extremismus zurückzuführen, sondern auf die prekäre Lage der Bevölkerung. Wie illustriert, ist in Mali, aber auch in den anderen Staaten, nicht religiöser Fundamentalismus per se im Aufschwung, sondern keimt bedingt durch Armut, Arbeitslosigkeit und Hoffnungslosigkeit. Nur aufgrund dysfunktionalem Staatswesen, grassierender Korruption und schlechtem Gesundheits- und Bildungswesen wenden sich einige Menschen radikal islamischen Organisationen zu.
Es ist somit nur durch Gutgläubigkeit zu erklären, dass Mogherini meint zu glauben, dass die Entwicklung der Sahel-Region mit einer Anti-Terror Einheit zu lösen sei. Die EU sieht die Situation vornehmlich als Sicherheitsproblem an und bekämpft daher mehr die Folgen, denn die konkreten Gründe. Ob es dadurch zu einer langfristigen Befriedung und wirklichem Fortschritt kommt, ist nicht sehr wahrscheinlich. 7) epo: Ursachen des Terrorismus und wachsender Instabilität werden ignoriert; Artikel vom 06.06.2017
Vielmehr sollte die EU darauf hinwirken, dass Entwicklungsgelder zielgerichteter eingesetzt werden, die Koordination von Behörden verbessert wird und die grundlegenden Probleme wie Korruption und Arbeitslosigkeit gezielt bekämpft werden. Mit dem aktuellen Plan macht es sich die Europäische Union aber zu einfach, und wird so nicht ihrem Ziel einer nachhaltigen Entwicklung der ganzen Sahel-Zone gerecht. 8) Welt: Frieden schaffen, aber wie bloß?; Artikel vom 03.06.2017
Fußnoten und Quellen:
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