Gefährliche EU-Kooperation mit Libyen: Bloße Symptombekämpfung
Beim EU-Gipfeltreffen von Malta im Februar 2017 einigten sich die Staats- und Regierungschefs auf einen Zehn-Punkte-Plan, der eine starke Zusammenarbeit mit Libyen vorsieht. Diese soll nach dem Vorbild des Türkei-Abkommens erfolgen, welches im letzten Jahr geschlossen wurde und dazu führte, dass weniger syrische Flüchtlinge in die EU einreisten. 1) BBC: Migrant crisis: EU leaders agree plan to stop Libya influx; Artikel vom 03.02.2017 Ziel des Plans ist es, die sogenannte zentrale Mittelmeerroute zu schließen, über die allein im letzten Jahr 180.000 Flüchtlinge mithilfe von Menschenschmugglern nach Europa kamen. Tausende Menschen sterben auf dem gefährlichen Weg. Um die von Schlepperbanden organisierten Überfahrten zu verhindern, soll die lybische Küstenwache schnellstmöglich ausgebildet und ausgerüstet werden. 2) Tagesschau: Zehn-Punkte-Plan der EU; Libyen soll Flüchtlinge aufhalten; Artikel vom 03.02.2017
Die Kooperation mit Libyen ist aufgrund der Menschenrechtsverletzungen an Flüchtlingen und der politischen Instabilität umstritten. 3) n-tv: Tausende Menschen werden „geopfert“; Helfer kritisieren EU-Beschluss zu Libyen; Artikel vom 04.02.2017 Flüchtlinge aus Eritrea, Ägypten, dem Niger, Bangladesch oder dem Sudan müssen nach Libyen, um von dort aus die zentrale Mittelmeerroute nach Italien zu nehmen. Viele werden jedoch in Internierungslagern festgehalten. Berichten von Menschenrechtsorganisationen zufolge herrschen dort unmenschliche Bedingungen. Die Flüchtlingscamps gleichen eher Gefängnissen: Die Menschen dort schlafen zusammengepfercht auf Matratzen am Boden und haben kaum Zugang zu Sanitäranlagen, Wasser und Nahrung. Die deutsche Botschaft im Niger, Amnesty International und Ärzte ohne Grenzen berichten von Zwangsarbeit, Vergewaltigungen sowie Menschenhandel, Folter und selbst systematischen Erschießungen. 4) Tagesschau: EU-Kooperation mit Libyen „Gefährlich naiv oder zynisch“; Artikel vom 03.02.2017
Die Pläne der EU, die Mittelmeerroute zu schließen, bedeuten für Tausende Flüchtende die Festnahme in Libyen und stellen eine Bedrohung ihrer Menschenrechte dar. Der Zehn-Punkte-Plan sieht zwar auch die Verbesserung der Situation in den Aufnahmeeinrichtungen Libyens sowie der sozialen und wirtschaftlichen Lage an den Migrationsrouten und in den Küstengebieten vor, dies schätzen internationale Beobachter jedoch als unrealistisch ein. 5) Amnesty International: EU: Plans to ‘close’ sea border would lock refugees and migrants in horrendous conditions in Libya; Artikel vom 02.02.2017 6) Tagesschau: EU-Kooperation mit Libyen „Gefährlich naiv oder zynisch“; Artikel vom 03.02.2017
Das Transitland ist von dem jahrelang herrschenden Bürgerkrieg zerrüttet. Seit dem Fall des Diktators, Muammar Gaddafi im Jahr 2011 fehlt Libyen eine effektive Staatsgewalt. Die international anerkannte Regierung von Premierminister Al Sarradsch konkurriert mit der eigentlich abgewählten „Regierung der nationalen Rettung“ und zahlreichen Milizen um die Macht und hat daher nur über Teile des Landes die Kontrolle. 7) BBC: Migrant crisis: EU leaders agree plan to stop Libya influx; Artikel vom 03.02.2017 8) Tagesschau: Zehn-Punkte-Plan der EU; Libyen soll Flüchtlinge aufhalten; Artikel vom 03.02.2017 9) Tagesschau: EU-Kooperation mit Libyen „Gefährlich naiv oder zynisch“; Artikel vom 03.02.2017 Die politische Instabilität macht es zweifelhaft, ob die Ziele der EU-Flüchtlingspolitik überhaupt durchsetzbar sind. Joachim Paul von der Heinrich-Böll-Stiftung bezeichnet die Lage in Libyen als derart schwierig und unübersichtlich, dass er sich kaum vorstellen könne, wie die Regierung ein Flüchtlingslager mit einem Minimum an humanitären Standards garantieren will. Zudem befinden sich, zumindest derzeit, keine Organisationen der EU oder der UNO vor Ort, um die Einhaltung der Menschenrechtsstandards zu kontrollieren. Ein weiteres Problem bei der Zusammenarbeit stellt die Korruption dar. 10) Tagesschau: EU-Kooperation mit Libyen „Gefährlich naiv oder zynisch“; Artikel vom 03.02.2017
Das Vorhaben der EU ist nicht nur schwer umsetzbar, es ist auch moralisch äußerst fragwürdig. Der Plan wird dazu führen, dass Zehntausende Menschen in dem konfliktgeplagten Land feststecken und möglicherweise gefangengenommen, ausgebeutet und misshandelt werden. 11) Amnesty International: EU: Plans to ‘close’ sea border would lock refugees and migrants in horrendous conditions in Libya; Artikel vom 02.02.2017 Darüber hinaus führt die Schließung einer bestehenden Fluchtroute lediglich zur Entstehung neuer gefährlicher Wege. Nur die Verbesserung der lokalen Lebensbedingungen und politische Stabilität kann die Fluchtbewegungen nachhaltig verhindern. Yves Pascouau vom European Policy Center bringt als einzige Lösung die Zerstörung des Geschäftsmodelsl der Schlepper und die Einführung legaler Möglichkeiten in die EU zu flüchten. 12) AlJazeera: EU leaders ink deal to stem refugee flow from Libya; Artikel vom 04.02.2017
Fußnoten und Quellen:
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